Peter Grimes – Oper von Benjamin Britten – Opernhaus Dortmund – Premiere.
Tatort Nordstadt, Dortmund reflektiert sich und kaum eine/r schaut zu.
Tilman Knabe inszeniert Peter Grimes in Dortmund als einen Dortmund-Tatort in der Nordstadt.
Menschen, die ganz unten angekommen sind, werden von wenigen Menschen, die in Dortmund (ganz) oben angekommen sind, angeschaut. Das Opernhaus, von dem nur das Parkett verkauft ist, ist zur guten Hälfte besetzt. Und das bei einem Ereignis, das sich wirklich sehen lassen kann. Diese Inszenierung berührt, greift an, wirkt noch lange nach. Ich fühle mich noch immer geplättet. Die szenischen Bilder, die Tilman Knabe schafft, berühren mich tief und das Geschehen scheint mitten aus dem Leben gegriffen zu sein. Manchmal greift er vor: der dritte Junge liegt im zweiten Akt in seinem Blut, ist offensichtlich von Peter Grimes umgebracht worden. Sein Tod wird eigentlich erst am Ende deutlich, aber es schärft die Dramaturgie. Sexdarstellungen sind nicht immer nachvollziehbar. Nichtsdestotrotz – das Ensemble, insbesondere der Chor (Bravo! Bravo!), sind höchst engagiert und transportieren das Geschehen lebensecht.
Peter Marsh als Peter Grimes – das ist eine Offenbarung. Für diesen Tenor hätte Benjamin Britten sicherlich gern komponiert. Emily Newton als Lehrerin trifft den Ton der Rolle heute (im Vergleich zum letzten Sonntag – Gräfin) ganz, auch wenn ich den Eindruck habe, dass ihre wunderbare Stimme in letzter Zeit über die Maßen beansprucht worden ist (welche Partie singt sie eigentlich nicht in Dortmund?) und Weniger auf Dauer Mehr sein könnte. Das deutliche Vibrato ist hier durchaus Ausdruck ihrer inneren Bewegtheit. Musikalisch ein Traum und inhaltlich ein Abgrund in weißen Plastikgartenstühlen das Quartett der Prostitiuierten und der Lehrerin. Sangmin Lee als Balstrode packt mich mit seiner kräftigen Stimme. … Es lassen sich viele aufzählen, die ihre Rolle hervorragend dargestellt haben.
Die Dortmunder Philharmoniker unter Leitung von GMD Gabriel Feltz wieder in bewährter sehr guter Qualität, die Brittens Musik besonders in den Interludes zum Leben erwecken.
Standing ovation. In Dortmund steht Frau/Mann gern schnell auf – hier sicherlich zurecht. Und sehr lang anhaltend ist der Applaus und wird hier – auch das ist typisch Dortmunder Oper – vom fallenden Vorhang beendet, denn er will sich einfach nicht mehr öffnen. Lange und zahlreich ist auch diesesmal die Premierenfeier, bei der sonst meist nur noch Wenige weilen.
Ich bin begeistert und empfehle jedem einen Besuch der noch kommenden Vorstellungen (auch wenn das Bühnenbild vor vier Jahren in Düsseldorf/Duisburg unübertroffen beeindruckend war).