Blog 12.3.2016

Written on Skin – Oper von George Benjamin – Konzerthaus Dortmund.

Halbszenische Aufführung. Der Inhalt des Kerngeschehens geht auf eine Sage aus dem 13. Jahrhundert zurück – eine allzu menschliche, aber auch äußerst brutale Geschichte. Der Librettist Martin Crimp verknüpft sie mit einem neuen Erzählstrang: Drei Engel treffen sich in der Jetztzeit und beschließen ein Erlebnis in vergangenen Jahrhunderten zu haben. Der erste Engel schlüpft dabei in die Rolle eines Künstlers, Junge (boy) genannt, der einem Großgrundbesitzer, Protector genannt, ein Buch erstellen soll. Dieser Protector besitzt eine junge Frau namens Agnès. Sie, die nicht lesen und schreiben kann, beginnt sich für die Arbeit an dem Buch und für den Jungen zu interessieren und nimmt Einfluss auf die Entstehung des Buches. Es kommt, wie es kommen muss. Der Protector, der inzwischen ganze Dörfer hat verbrennen lassen um seine Macht zu erhalten und der die Vollendung des Buches vehement gegen den Widerstand von Verwandschaft und Bevölkerung (sinngemäß: „das Buch frisst uns auf“) durchsetzt, entdeckt das Verhältnis, tötet den Jungen und gibt Agnès dessen Herz zu essen. Als er ihr offenbart, was sie verspeist hat, stüztz sie sich aus dem Fenster.

Ich will es gleich direkt sagen: das musikalische Geschehen zieht mich nachhaltig in seinen Bann.

Auch wenn die Musik und das Libretto wenig Drama aufkommen lassen – zum einen fehlen hier im Konzerthaus die Szene und die Darstellung, zum anderen wirkt die Musik häufig flächig – trotz vieler rhythmischer Elemente erscheint sie mir statisch – und die Darsteller singen Erzähltext (quasi Regieanweisungen) und Dialog nahtlos aneinandergereiht. So entsteht für mich eine Art Tableau, in das sich die kühl distanzierte Partie des Jungen bzw. des Engels (Countertenor) einpassen und aus der die immer emotionaler werdende Partie der Agnès und auch des Protectors plastisch hervortreten. Das Orchester bildet überwiegend die Klangfläche, die die Gesangsstimmen trägt. In den Intermezzi wird die klangliche Macht des Orchesters deutlich – beinahe erschlagend und so dem Inhalt angemessen.

Die Qualität der Aufführung ist phantastisch!

Es spielen das MCO unter Leitung des Komponisten George Benjamin – nicht nur ein herausragender Tonsetzer, der die Klangfarbenpalette beherrscht, sondern auch ein gefragter Dirigent – und es singen alle Sänger und Sängerinnen gleichermaßen phantastisch, klar, textverständlich, ausdrucksstark. Besser geht es nicht! Bravo! Bravo! Bravo!

Barbara Hannigan, Sopran – Agnès
Christopher Purves, Bariton – Protector
Tim Mead, Countertenor – erster Engel / Junge
Victoria Simmonds, Sopran – zweiter Engel / Marie
Robert Murray, Tenor – dritter Engel / John

Man fragt sich: warum können die Briten eigentlich so gut singen? Liegt es am Schulsystem, an der Ausbildung, haben sie von Natur aus einen guten Stimmsitz? Wird in Großbritannien von Kindheit an mehr gesungen? – Mir fällt das jedenfalls immer wieder auf, dass die Briten hervorragend singen können.

Die Oper soll demnächst in Bonn herauskommen. Hoffentlich in gleichermaßen guter Qualität! Dann lohnt sich ein Besuch.