von Franz Lehár – Deutsche Oper am Rhein, Opernhaus Duisburg.
Vor dem Kunstgenuss steht einmal wieder das Leben der Anderen. Denn die Anderen leben gern und zahlreich in den öffentlichen Verkehrsmitteln.
Da ich seit längerem diese Verkehrsmittel meide oder nur unter der Regie kompetenter Reisebegleiter nutze, gehe ich – gutgläubig wie ich bin – zum Solinger Hauptbahnhof, um von dort nach Duisburg zu fahren. Das geht normalerweise mit der S1, die in Solingen startet und über Düsseldorf, Duisburg bis Dortmund fährt. Bis Duisburg dauert es ca. 50 Minuten und so will ich die Bahn um 17:53 Uhr nehmen, damit ich noch genügend Zeit habe, um in Duisburg zum Opernhaus zu gelangen und zeitig vor 19:30 Uhr dort zu sein. Das ist ja alles schön gedacht, aber ich reise in Eigenregie ohne kompetente Reiseleitung, die über die Unwägbarkeiten des öffentlichen Nahverkehrs informiert ist und so werde ich dann auch mit der Realität konfrontiert, als ich auf den Bahnsteig komme. Der vorherige Zug ist ausgefallen, mein geplanter Zug soll 10 Minuten Verspätung haben und fährt nur bis Düsseldorf Flughafen. Ich werde also umsteigen müssen, am besten in Düsseldorf Hauptbahnhof in die RE6 sagt mir das mobile Internet. Informationen gibt es ansonsten am Bahnhof keine, weder Durchsagen noch Schrift an der Anzeigetafel, nur Durchsagen zur aktuellen Verspätung. Dass die S1 zur Zeit nur noch stündlich fährt, erfahre ich erst später.
Als dann die S-Bahn 10 Minuten verspätet kommt, bin ich noch guter Dinge. Nun sitze ich im Zug und sitze und sitze und es geht nicht los. Dann kommt endlich die klärende Durchsage: Bitte geben Sie die Türen frei. – Aha, da steht wohl jemand in der Tür. Aber es passiert nichts. Die nächste Durchsage wird deutlicher: Solange Sie die Tür nicht freimachen, können wir nicht losfahren. – Jetzt wird mir bewusst, dass das Leben der Anderen direkten Einfluss auf das meine hat, ich bin von den Anderen abhängig – zumindest zeitweise. Und die Zeit wird knapper. Um 18:10 Uhr geht es endlich los – 17 Minuten verspätet. Der nächste Zug müsste eigentlich auch schon da sein, fällt aber scheinbar auch aus.
Wenn der Zug dann fährt, ist man wieder hoffnungsfroh, dass alles gut endet. Aber eine Station vor Düsseldorf Hauptbahnhof, Station Volksgarten (hier habe ich als kleines Kind, glaube ich, etliche Sonntagsspaziergänge machen müssen), bleibt der Zug stehen und stehen. Noch ist Zeit den Anschlusszug zu erreichen. Nach einigen Minuten kommt endlich eine Durchsage: Die Weiterfahrt verzögert sich – (Pause) – um ca. ein paar Minuten. Im Bahnhof sind alle Gleise besetzt. –
Das ist ja nun sehr präzise und es wird langsam eng mit dem Anschlusszug. Aber ich erreiche ihn dann doch gerade, die RE6 kommt pünktlich und theoretisch komme ich 19:02 Uhr in Duisburg an. Das wäre ja noch gut machbar. Aber es bleibt bei der Theorie; der Zug, der brechend voll ist – ich stehe im Gang neben einer Horde Testosteron-schwangerer Jungbullen, die mir auf den Füßen stehen – steht und steht. Keine Durchsage, keine Information. Um 19:00 Uhr fahren wir endlich los, um nach einigen Minuten nochmal vier Minuten stehen zu bleiben. Langsam dämmert es mir, dass ich es nicht mehr zeitig schaffen werde, in die Oper zu kommen. Und so ist es dann auch. 19:25 Uhr komme ich endlich am Hauptbahnhof Duisburg an und drei Minuten nach Halb bin ich erst in der Oper. Aber im zweiten Rang links bekomme ich noch Einlass. Jetzt muss ich mich erstmal auf den Graf von Luxemburg einlassen.
Hier sehe ich gerade ein Szene mit Aktionskunst. Die Darsteller/innen malen sich gegenseitig an und wälzen sich dann auf einer großen weißen Leinwand. Toll, aber das sichtbare Ergebnis ist wenig spektakulär. Nun, macht nichts, es ist ganz unterhaltsam. Die Inszenierung bedient (wieder, wie im Goldenen Hahn) russische Klischees und ich finde es besonders im zweiten Teil sehr lustig inszeniert. Der Hausdrache am Bühneneingang – herrlich -, der später zum Hotelfaktotum mutiert und die allgemeine Lage kommentiert („frühes Vögeln entspannt den Wurm“) und die russische ursprüngliche Braut, die in ihren Couplets ganz aktuell die Tages- und Weltpolitik – ohne Trump und Erdogan geht heute nichts mehr – kommentiert. Bravo! Brava!
Auf Namen verzichte ich heute leider, da ich diesesmal programmlos den Abend genieße. Das gleiche Stück gab es vor einigen Jahren auch in Dortmund, aber wiedererkannt habe ich es erst in der Hotelszenerie. Nichtsdestotrotz, wer auch die unterhaltsame leichtere Muse schätzt und etwas Klamauk verträgt – ach ja, da war auch noch das (russische) Ballett mit der Herr-lichen Ballerina; eine Passage, in der sich das Geschehen selbst persifliert – die/der sollten sich den Grafen von Luxemburg anschauen!
Nach der Oper steht dann ja auch irgendwann die Heimfahrt an, die wieder recht unwägbar scheint. Diesesmal starten eine Freundin und ich am Bahnhof Düsseldorf Flughafen, zu dem wir gebracht worden sind. Der ICE nach Köln, den die Freundin nehmen will, kommt dann auch recht pünktlich, aber man soll ausdrücklich „Nicht einsteigen – der Zug hält nur zum Aussteigen“. Was soll das nun wieder? Es wird trotzdem eingestiegen und frau/man kam auch in Köln an, wie ich später hörte. Auch „meine“ S1 kommt irgendwann und ich kann nonstop durchfahren. Halleluja!
Um mit Volker Pispers zur Bahn zu sprechen: Sie kommen zum Bahnhof, wann Sie wollen, wir fahren, wann wir wollen…